Regionaltreffen Brandenburg am 4. Juni 2011 in Potsdam

6. Regionaltreffen Brandenburg in Potsdam

Nach umfangreicher Vorbereitung fand in diesem Jahr wieder ein Regionaltreffen Brandenburg statt. Traditionell am ersten Wochenende im Juni kamen wieder viele Besucher aus Nah und Fern in den Treffpunkt Freizeit in Potsdam. Träger der Veranstaltung waren die Brandenburgische Genealogische Gesellschaft Roter Adler, der Verein für Computergenealogie, der HEROLD, die AG Magdeburg sowie der Treffpunkt Freizeit Potsdam.

Das Themenspektrum des Regionaltreffens reichte von Wanderungsbewegungen über die Deutung verschiedener Symbole auf Kirchen bis zum Auffinden von alten Orten und Wüstungen. Folgende Referate bereicherten die diesjährige Veranstaltung.

  • Des Ersten Tod, des Zweiten Not, des Dritten Brot – Migrationstypen und Wanderwege im frühneuzeitlichen Alten Reich (16. bis 18. Jh.) von Prof. Dr. Matthias Asche: Leider konnte der Referent wegen einer kurzfristigen Erkrankung nicht anreisen. So ist es Dr. Peter Bahl zu danken, der das per FAX übermittelte Manuskript fachkundig vortrug. Nicht nur dem erfahrenen Genealogen und Familienforscher ist gut bekannt, daß die traditionelle Vorstellung von der Immobilität der vormodernen Gesellschaft nicht zutrifft. Vielmehr muß von hoher Mobilität innerhalb der Altständischen Gesellschaft ausgegangen werden – einer sozialen und einer räumlich-geographischen. Die Neigung, den Heimatort oder gar das Heimatland zu verlassen, war stärker verbreitet als bisher angenommen. Bei aller Lückenhaftigkeit der zur Verfügung stehenden Quellen des „Vorstatistischen Zeitalters“ zeigen vorsichtige Schätzungen, dass ein Drittel oder gar die Hälfte der deutschsprachigen Bevölkerung im 18. Jahrhundert mindestens einmal im Leben den Wohnort gewechselt hat. Dennoch nahmen sich – verglichen mit den Massenwanderungen des 19. und 20. Jahrhunderts – freilich selbst die großen Migrationsbewegungen des vorindustriellen Zeitalters quantitativ marginal aus. Aus der immensen Spannbreite frühneuzeitlicher Wanderungsformen von und nach Deutschland wurden exemplarische Ausschnitte präsentiert. Es gibt eine Vielzahl von Modellen zur Typologisierung des historischen Wanderungsgeschehens. Diese Modelle fragen nach den auslösenden Faktoren für Aus- und Einwanderung, nach der regionalen und sozialen Zusammensetzung der Migrantengruppen, nach den unterschiedlichen Rahmenbedingungen von Nah- und Fernwanderungen, nach obrigkeitlichen Unterstützungen für Neusiedler (Privilegienpolitik) sowie nach dem mit dem Problem der Integration zusammenhängenden Grad der Fremdheitserfahrung von Einwanderergruppen. Zur Vereinfachung wurden drei Haupttypen frühneuzeitlicher Migration vorgestellt:
  • markt- und lebensweltbedingte Migration (u.a. Heiratswanderungen, Kriegsflüchtlinge, dauerhafte oder saisonale Arbeitsmigranten),
  • erzwungene und unfreiwillige Emigration (u.a. religiös bedingte Zwangswanderungen, etwa der Juden, Hugenotten, Salzburger und Herrnhuter),
  • geförderte und gelenkte Immigration (u.a. Binnenkolonisationsmaßnahmen in Preußen, Rußland und an der habsburgischen Militärgrenze in Ungarn und Siebenbürgen, Neubürger bei Stadterweiterungen und Stadtgründungen, Amerika-Auswanderung).
  • Die Mitmach-Projekte bei genealogy.net – insbesondere in ihrem Bezug zum heutigen und historischen Brandenburg von Dr. Uwe Baumbach: Unter der technischen und in den meisten Teilen auch inhaltlichen Betreuung durch den „Verein für Computergenealogie e.V.“ laufen seit einigen Jahren eine Vielzahl so genannter Mitmach-Projekte. Sie verfolgen das Ziel, vielfältige genealogisch interessante und relevante Informationen möglichst strukturiert und untereinander abgestimmt/vernetzt den suchenden Familienforschern zur Verfügung zu stellen. Dabei werden diese Quellen nicht durch eine kleine Fachredaktion, sondern überwiegend durch Hobby-, aber auch zum Teil durch Berufs-Genealogen, -Historiker, -Geografen usw. gespeist. Im Vortrag wurden die über das Internet erreichbaren Projekte einzeln vorgestellt, ihr Bezug zur genealogischen Forschung im Bereich des heutigen und des historischen Gebietes Brandenburg dargestellt, ein Ausblick auf deren weitere Entwicklung gegeben und vor allem Motive bzw. Formen einer aktiven Teilnahme dargestellt.
  • Theodor Fontanes Vorfahren – Ergebnisse und Probleme genealogisch-historischer Forschungen von Dr. Manfred Horlitz: In diesem einstündigen Vortrag konnten nur einige Aspekte der Forschungsergebnisse dargestellt werden: 1. Gründe und Motive der Forschungen. 2. Einige Probleme der Ansiedlung der hugenottischen Vorfahren des Schriftstellers Th. Fontane im 17. Jh. in Brandenburg-Preußen. 3. Zur allmählichen Integration der Fontaneschen Vorfahren mütterlicher- u. väterlicherseits in Preußen. 4. Theodor Fontanes Position zu seinen Vorfahren. 5. Forschungsergebnisse und Defizite.
  • Die Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher e.V., begr. 1927 – Forschungsmöglichkeiten im östlichen Europa von Jürgen Frantz: Der Vorsitzende stellte den Verein vor und beschrieb kurz dessen Geschichte und Wurzeln. Es folgte eine geraffte Darstellung der Forschungsgebiete und der dort tätigen Forschungsstellen. Auch die derzeit laufenden und sich in Planung befindenden Projekte wurden in einem Ausblick dargestellt. Anhand der sich seit der Wende in Polen geänderten archivalischen Situation schilderte er konkret sich nun ergebende Forschungsmöglichkeiten am Beispiel der Notariatsakten im Archiv in Kalisz. Er plädierte für eine intensive Forschung am vorhandenen Urkundenmaterial. Ebenso appellierte er an die Zuhörer, bereits geleistete Forschungen nicht zu vergessen und deren in den einschlägigen Vereinsarchiven lagernden Arbeiten und Sammlungen auszuwerten und auch dafür Sorge zu tragen, dass die eigenen Forschungen – ob klassisch papierbezogen oder aktuell It-bezogen – der interessierten Öffentlichkeit durch geeignete Publikationen vorgestellt und so gesichert werden.
  • Die Auswanderung preußischer Lutheraner nach Australien von Gerd-Christian Treutler: Der Referent trug vor, dass zur komplexen Darstellung der Auswanderung der preußischen Lutheraner in den 1830er bis 1840er Jahren mehrere Quellen miteinander kombiniert werden müssten. Einerseits schärfen die rückblickenden Darstellungen der Auswanderernachkommen den Blick für die historische Situation, andererseits werden mit der überarbeiteten und aus weiteren Quellen ergänzten Übersicht der Auswandererfamilien nach Iwans „Um des Glaubens willen nach Australien‟ von 1931 Fakten benannt. Der Schwerpunkt dieser religiös motivierten Auswanderung lag im Südosten Brandenburgs und im Norden Niederschlesiens, weshalb eine Beschränkung auf damalige brandenburgische Orte nicht sinnvoll ist. Man kann die Auswanderungsgeschichte aus den Herkunftskreisen Crossen und Züllichau in Brandenburg und den angrenzenden schlesischen Kreisen Glogau, Grünberg, Liegnitz, Lüben und Freystadt sowie den Posener Kreisen Birnbaum, Bomst, Meseritz, Neutomischel und Samter als wesentlich für diese Auswanderung ansehen. Die genaue Beschreibung der geplanten Reise von insgesamt 82 Auswandererfamilien auf dem Schiff „Skjold‟ im Jahre 1841 nach Port Adelaide in die Kolonie Südaustralien gab einen eindrucksvollen und repräsentativen Einblick in die Umstände eines solchen Unternehmens und öffnete ein Fenster zum Verständnis unserer Geschichte. Ergänzt wurde der Vortrag mit kurzen Darstellungen der religionsgeschichtlichen Hintergründe und der ersten Ansiedlungen in Südaustralien.
  • Genealogie und Landesgeschichte – Quellen, Literatur und Forschungsmöglichkeiten in Bibliothek und Archiv der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V. von Dr. Peter Bahl: Der Vorsitzende und Archivar der Landesgeschichtlichen Vereinigung informierte über die im Gebäudekomplex der Zentral- und Landesbibliothek Berlin befindlichen, aber von der Vereinigung selbst betreuten Sammlungen zur Orts- und Landesgeschichte Brandenburgs und Berlins. Dabei legte er den Schwerpunkt seiner Darlegungen auf personen- und familiengeschichtliche Fragestellungen und bot zugleich einen Überblick über relevante Quelleneditionen.
  • Sterne auf Kirchturmspitzen und Dächern repräsentativer Gebäude im 17./18. Jahrhundert. Beliebiges Zierelement oder mehr? Thesen zu einem befragenswerten Architekturemblem von Dr. Hannelore Lehmann: Ausgangs- und Schwerpunkt der Untersuchung und des Vortrages bildete die Mark Brandenburg. Die Referentin erläuterte an zahlreichen Beispielen die Forschungsschwerpunkte. Den Zeitrahmen bildeten Reformation und Übertritt der Hohenzollern zum Kalvinismus. Als Objekte beschrieb sie Klostergut, Domäne, Kirchenpatronat, Schlösser und Städte.
  • Orte suchen und finden. – Verwüstet, geschleift, devastiert, geflutet oder umbenannt? von Jörg Schnadt: Wer seine Vorfahren erforschen will, muss wissen, wo sie gelebt haben. In der Regel ist die Ortssuche ein Kinderspiel. Es gibt Postleitzahlenverzeichnisse, Landkarten, Atlanten, Adressbücher und andere Ortsverzeichnisse, häufig sogar digital im Internet. Was aber ist, wenn man dort nicht fündig wird? Der Referent erläuterte, was die Ortssuche erschwert und wie man, wenn man die Gründe kennt, in der Regel dennoch zum Ziel kommt.
  • Salzburger Exulanten auf ihrer Wanderung durch Brandenburg im Jahre 1732 von Bruno Berger: Der Referent beschrieb Salzburger Exulanten auf ihrer Wanderung durch Brandenburg im Jahre 1732 und ihre Ansiedlung in Preußisch-Litauen, dem Reg.-Bez. Gumbinnen der Provinz Ostpreußen – eine logistische Meisterleistung jener Zeit. In seinem Beitrag schilderte er die Hintergründe für die Auswanderung der evangelischen Salzburger und die Voraussetzungen für ihre Integration in der neuen Heimat.

Das Regionaltreffen war wieder eine gelungene Veranstaltung, bei der jeder Teilnehmer interessante Hinweise nicht nur für Forschungen in Brandenburg mitnehmen konnte. Wir freuen uns auf das nächste Treffen im kommenden Jahr.

Mario Seifert

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