Forschungsgruppe Bukowina

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Das Forschungsgebiet




Wappen des Kronlandes Herzogtum Bukowina 1849 bis 1918

Wappen des Kronlandes
Herzogtum Bukowina 1849 bis 1918

Was ist die Bukowina?

Die Bukowina (dt. auch Buchenland) ist eine 10.441 km² umfassende historische Region an der Grenze zwischen Mittel-, Ost- und Südosteuropa, die heute zwischen den Staaten Ukraine und Rumänien geteilt ist. Als Verwaltungseinheit hat sie zu existieren aufgehört, ist allerdings teilidentisch mit der heutigen ukrainischen Oblast Czernowitz (Černivecka oblаst) bzw. dem rumänischen Kreis Suczawa (Județul Suceava) und stellt für die Bevölkerung beiderseits der Grenze nach wie vor einen starken identitätsstiftenden Bezugspunkt dar.

Geschichtlicher Hintergrund

In der Antike von Dakern und Bastarnen und später von Slawen besiedelt wurde die Bukowina nach der Zerschlagung der Kiewer Rus durch die Mongolen im 13. Jahrhundert Teil des Fürstentums Moldau, welches ab dem 16. Jahrhundert in zunehmende Abhängigkeit vom Osmanischen Reich geriet. Nachdem das Gebiet im 6. Russischen Türkenkrieg (1768–1774) zunächst russisch besetzt wurde, kam es im Rahmen des Friedensschlusses von Küçük Kaynarca (1775) zum Haus Habsburg, angeblich als Dank für dessen Friedensvermittlung. Damit gelang Österreich die Herstellung einer wichtigen Passverbindung zwischen Siebenbürgen und dem 1772 annektierten Galizien.

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Um die bis dahin relativ dünn besiedelte und wirtschaftsschwache Region aufzuwerten, wurde kurz darauf mit dessen wirtschaftlicher Erschließung begonnen, was bald von einigem Erfolg gekrönt war. Nachdem die Bukowina nach einer bis 1786 dauernden Phase der Militärverwaltung zunächst einen Kreis des polnisch geprägten Kronlandes Galizien gebildet hatte, wurde es angesichts seines immer stärker werdenden Eigengewichts 1849 autonom und bildete bis zum Ende Österreich-Ungarns dessen östlichstes Kronland. Wenn gleich die Bukowina bis zum Ende der Habsburgerherrschaft eine in vielen Aspekten schwach entwickelte Region blieb, ging der innere Aufschwung dennoch weiter und führte u.a. 1875 zur Gründung der östlichsten deutschsprachigen Universität in Czernowitz. Zunehmende Nationalitätenkonflikte, v.a. zwischen den bisher dominanten Rumänen und den zahlenmäßig stärkeren Ukrainern wurde 1910, am Vorabend des Ersten Weltkrieges, mit dem „Bukowinaer Ausgleich“ begegnet, der zu einer gewissen Demokratisierung und der Entschärfung nationaler Gegensätze in der Landespolitik führte.


Lage des Herzogtum Bukowina innerhalb von Österreich-Ungarn

Lage des Herzogtum Bukowina
innerhalb von Österreich-Ungarn

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Nachdem die Bukowina im Ersten Weltkrieg Frontprovinz war und bis 1917 mehrfach den Besitzer wechselte, wurde sie nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie und dem dadurch entstandenen Machtvakuum 1918 von Rumänien annektiert, was 1919 durch den Staatsvertrag von Saint-Germain-en-Laye bestätigt wurde. Die nächsten zwei Jahrzehnte waren von starken Rumänisierungstendenzen geprägt, worunter die vielfältigen nationalen Minderheiten zu leiden hatten. Im Sommer 1940 besetzte die Sowjetunion gemäß des Molotow-Ribbentrop-Paktes nicht nur das bis 1918 russische Bessarabien sondern, angeblich als Reparation für dessen 20jährige „Besetzung“ durch Rumänien, auch die nördliche Bukowina und das kleine zwischen beiden Regionen gelegene Herza-Gebiet (Ținutul Herța) und begann umgehend mit der Durchsetzung der sowjetischen Staatsdoktrin. Enteignungen und Deportationen waren in der Anfangszeit an der Tagesordnung. Nachdem das Gebiet in Folge der rumänischen Beteiligung am deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941-1944 kurzzeitig wieder rumänisch geworden war, zementierte die rumänische Unterzeichnung der Pariser Friedensverträge vom 10. Februar 1947 die Grenzen von 1944, so dass die Bukowina damit faktisch zu existieren aufhörte und seitdem zwischen der Ukrainischen SSR (ab 1991 Ukraine) und der Volksrepublik Rumänien (seit 1989 Rumänien) geteilt ist.

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Die Bukowinadeutschen

Bereits zu Beginn der österreichischen Herrschaft war die Bukowina kein homogenes Land. Neben orthodoxen und v.a. von der Wanderweidewirtschaft (Transhumanz) lebenden Rumänen und Ukrainern gab es in den wenigen regionalen Zentren wie Sereth und Suceava auch Minderheiten wie z.B. Armenier und Griechen. Im Zuge der wirtschaftlichen Erschließung ab den 1770ern wurde nicht nur versucht, die einheimische, halbnomadisch lebende, Bevölkerung sesshaft zu machen, sondern auch neue Siedler, u.a. aus anderen Teilen des Habsburgerreiches, anzuwerben. Dazu zählten neben Ungarn, Polen und Ukrainer aus Galizien, Juden und Armeniern auch deutsche Siedler, die in den folgenden Jahrzehnten die einheimische, v.a. ukrainisch und rumänisch geprägte, Bevölkerung ergänzten. Diese Vielfalt führte dazu, dass die Bukowina, als eines der multikulturellsten Gebiete der ohnehin schon durch ethnische Vielfalt geprägten Habsburgermonarchie, seit dem 19. Jahrhundert den Beinamen „Europe en miniature“ erhielt. Dieses Bild wurde noch verstärkt, da die verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht ausschließlich in separaten Siedlungen, sondern auch Tür an Tür mit anderen Ethnien in ein und derselben Ortschaft lebten und interkulturelle familiäre Verbindungen keine Seltenheit waren. Dies galt sowohl für die ländlich geprägten Gebiete als auch für die wenigen größeren Städte, allen voran Czernowitz.

Das heterogene Gesamtbild der Bukowinaer Bevölkerung setzt sich auch bei näherer Betrachtung der deutschsprachigen Bevölkerungsteile fort. Der begrenzten Zuwanderung in Form von deutschsprachigen Militärpersonen und Verwaltungsbeamten folgten ab den 1780ern erste planmäßige Ansiedlungen deutscher Siedler.

Herkunft der deutschen Siedler in der Bukowina
Diese Karte wird fortlaufend ergänzt.

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Südwestdeutsche

Als eine der ersten kamen ab den frühen 1780ern vorwiegend protestantische bäuerliche Bevölkerungsgruppen aus Südwestdeutschland (v.a. der heutigen Rheinland-Pfalz) in die Bukowina, die auch „Schwaben“ genannt wurden. Die erste Welle kam in den Jahren 1782-1787, es handelte sich um 22 Familien, die zuvor im Banat angesiedelten worden waren und teilweise bereits der zweiten Generation von Kolonisten angehörten. Sie siedelten sich am Rande von bereits bestehenden Siedlungen wie Rosch, Zuczka, Mitoka-Dragomirna, Molodia und Czernowitz an. 1787 folgten weitere 75 Familien, die über die Zwischenstation Galizien in die Bukowina kamen und sich in Fratautz, Satulmare, Milleschoutz-Badeutz, Tereblestie, Itzkany, Arbora, St. Onufry und Illischestie niederließen. Auch in den kommenden Jahrzehnten kam es noch vereinzelt zu Zuzügen aus Galizien, zum Beispiel um 1820 nach Baince / Bainetz oder, als letzte deutsche Gründung, 1913 nach Eichenau bei Neu-Zadowa. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden zudem einige Tochterkolonien gegründet, namentlich in Alexanderdorf (1863), Katharinendorf (1869), Neu-Zadowa (1885) und Nikolausdorf (1893).

Zipser Bergleute

Fast zeitgleich wurden ebenfalls protestantische Bergleute aus der Zips (damals Königreich Ungarn, heute Slowakei) angeworben. Die ersten 30 Familien, v.a. aus Käsmark und Leutschau, kamen 1784 per Militärtransport zur Arbeit in die Eisenminen bei Jakobeni, denen 1802 weitere 40 Familien folgten. Weitere Siedlungen entstanden um die Silber- und Bleiminen um Kirlibaba (1797), die Kupferminen in Luisenthal bei Pozoritta (1805) sowie die Eisenminen in Eisenau (1807) und Freudenthal (1807). Weitere Ansiedlungen erfolgten in den schon bestehenden Siedlungen in Stulpikany, Frassin und Paltinossa.

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Deutschböhmen

Als letzte und größte Gruppe kamen Deutschböhmen aus dem Böhmerwald (heute Tschechien) in die Bukowina. Die erste Welle umfasste zwischen 1793 und 1815 v.a. Glasmacher und Waldarbeiter, die zur Gründung von Glashütten in den Wäldern am Osthang der Karpaten ins Land gerufen wurden. So entstanden die Siedlungen Althütte (1793), Karlsberg (1797), Fürstenthal (1803) und Neuhütte (1815), wobei die Karlsberger Siedler vorher teilweise auf der bald insolventen Glashütte in Lubaczów in Galizien gearbeitet hatten. Aufgrund eines rasanten Bevölkerungswachstums zogen viele Familien bald weiter, z.B. nach Kaczyka oder ab 1817/18 nach Baince / Bainetz bei Sereth sowie nach Paltinossa. Die zweite Einwanderungswelle von Deutschen aus dem Böhmerwald umfasste v.a. landwirtschaftliche Gruppen, die im Süden der Bukowina die Siedlungen Bori (1835), Lichtenberg (1835), Schwarzthal (1838), Buchenhain / Deutsch-Pojana Mikuli (1838), Glitt (1843) und Augustendorf (1850) gründeten.

Weitere Entwicklungen

Später folgten noch kleinere Einwanderungswellen, zum Beispiel im Zuge des Eisenbahnbaus oder von Personen aus dem mährisch-schlesischen Raum in die Gegend von Sereth. Während Deutsch ab der Eigenständigkeit der Provinz 1849 die Amtssprache darstellte und eine führende Rolle in Kultur und Verwaltung einnahm, verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Bukowinadeutschen zusehends, etwa durch zunehmende Überbevölkerung sowie den Niedergang der Glashütten und Bergwerke. So kam es ab den 1880ern zu umfangreichen Auswanderungswellen nach Nord- und Südamerika sowie nach Rumänien. Die Situation der deutschen Volksgruppe änderte sich nach der Annexion durch Rumänien 1918 merklich, da sich die Rumänisierungstendenzen deutlich auf Schulwesen und das kulturelle Leben auswirkten. Ab den 1930er Jahren gerieten die Bukowinadeutschen zudem sukzessive unter nationalsozialistische Einflussnahme.

Als 1940 die Bukowina geteilt wurde, wurden die Deutschen in der nun sowjetischen Nordbukowina, anders als die übrigen Bevölkerungsgruppen, aufgrund von Vereinbarungen des Molotow-Ribbentrop-Pakts von Repressalien und Deportationen ausgenommen und konnten noch im selben Jahr im Rahmen der „Heim ins Reich“-Aktionen in vom Deutschen Reich kontrollierte Gebiete ausreisen. Ähnliche Abkommen mit Rumänien führten ebenfalls 1940 zur Umsiedlung der Deutschen aus der Südbukowina. Nach teilweise langem Lageraufenthalt wurden die Bukowinadeutschen häufig zur Germanisierung annektierter Gebiete in Polen und Frankreich angesiedelt und mussten entsprechend 1944/45 ein zweites Mal ihre Höfe verlassen und fliehen. Besser traf es letztlich die zahlreichen gemischtethnischen Familien, die sich nach der Ideologie der Nationalsozialisten zunächst bewähren sollten und deshalb im sogenannten „Altreich“ angesiedelt wurden, wo sie überwiegend einer erneuten Vertreibung entgingen. Im Zuge dieser Entwicklungen sind die Bukowinadeutschen bzw. deren Nachfahren heute über das gesamte Bundesgebiet und Österreich verteilt. Viele suchten zudem nach 1945 ihr Glück in einer Auswanderung nach Nord- und Südamerika.

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Bildnachweis:
Wappen des Kronlandes Herzogtum Bukowina 1849 bis 1918, public domain auf commons.wikimedia.org
Lage des Herzogtum Bukowina innerhalb von Österreich-Ungarn, CC BY-SA 4.0 auf commons.wikimedia.org

Quellen:
Bukovina Society Newsletter. The Bukovina Society of the Americas; herausgegeben seit 1991
Der Südostdeutsche. Buchenlanddeutsche Zeitung mit ständigen Berichten über die Südostdeutschen, über und aus Südost- sowie Osteuropa und über die Bukowiner in aller Welt; herausgegeben seit 1950
Kaindl, Raimund Friedrich: Geschichte der Bukowina. Die Bukowina unter der Herrschaft des österreichischen Kaiserhauses (seit 1774), Czernowitz 1898
Kaindl, Raimund Friedrich: Das Ansiedlungswesen in der Bukowina seit der Besitzergreifung durch Österreich, Innsbruck 1902
Kaindl, Raimund Friedrich: Geschichte der Bukowina von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart, Czernowitz 1904
Kaindl, Raimund Friedrich: Die Deutschen in Galizien und in der Bukowina, Frankfurt/Main 1916
Landsmannschaft der deutschen Umsiedler aus der Bukowina in Deutschland (Hrsg.): Das Bundestreffen 1951. Eine Bestandsaufnahme des Buchenlanddeutschtums, München 1951
Lang, Franz (Hrsg.): 150 Jahre Deutschtum in der Bukowina, München 1961
Massier, Erwin; Talsky, Josef; Grigorowicz, B. C. (Hrsg.): Bukowina. Heimat von Gestern, Karlsruhe 1956
Mayer, Herbert: Ergebnisse der letzten Selbstzählungen der Deutschen in der Bukowina vor der Umsiedlung, in: Kaindl-Archiv. Mitteilungen der Raimund Friedrich Kaindl Gesellschaft, Stuttgart 1978
Pordzik, Viktor: Die Bukowina – Einführung in die Geschichte und die genealogischen Forschungsmöglichkeiten (PPTX 13,4 MByte); Online-Vortrag beim AGoFF-Mitgliedertreffen am 23.06.2022
Stepani, Claus: Über die goldene Bistritz. Zur Ansiedlung deutscher Bevölkerungsgruppen im Buchenland, in: Neuer Weg, Jg. 30, 29. Juli 1978, S. 3
Stepani, Claus: Im Tal der Goldenen Bistritz, in: Neuer Weg, Jg. 33, Nr. 9934, 30 April 1981, S. 6
Wagner, Rudolf: Die Bukowina und ihre Deutschen, Wien 1979
Weczerka, Hugo: Die Deutschen im Buchenland, Würzburg 1955
Welsch, Sophie A.: The Bukovina-Germans during the Habsburg Period. Settlement, Ethnic Interaction, Contributions, in: Immigrants & Minorities, vol. 5, no. 1, March 1986, S. 73-106
Zimmer, Norbert: Die deutschen Siedlungen im Buchenland (Bukowina), Plauen 1930

Quellen zur Siedlergruppe Deutschböhmen:
Jordan, Inge: Die Auswanderung aus dem Künischen Böhmerwald, Grafenau 1995
Reichensteiner: Ab- und Auswanderung aus dem Klinischen’, in Volkskundlicher Arbeitskreis für den mittleren Böhmerwald „Künische Freibauern“ e. V. (Hrsg.): Im Lande der künischen Freibauern. Heimatbuch für den mittleren Böhmerwald, 2. Auflage, Grafenau 1980, S. 136
Wagner, Rudolf (Hrsg.): Bori, Karlsberg und andere deutschböhmische Siedlungen in der Bukowina, (München 1982)

Quellen zur Siedlergruppe Pfälzer:
Dreßler, Hans: Die ersten deutschen Erbzinslerfamilien in der Bukowina. Wie hießen die ersten deutschen „Erbzinslerfamilien“ in der Bucovina’ und woher kamen sie?, in: 150 Jahre schwäbische Kolonisten in der Bucovina 1787-1937
Stepani, Claus: Sprichwörtlicher Fleiss. Zur Ansiedlung Schwäbischer Bevölkerunsgruppen im Buchenland, in: Neuer Weg, Jg. 31, Nr. 9345, 5. Juni 1979, S. 6.

Quellen zur Siedlergruppe Zipser:
Einiges über Zipsergemeinden in der Bukowina, in: Der Südostdeutsche, 15. Mai 1978

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Die Forschungsgruppe gehört zur AGoFF-Forschungsstelle Galizien und Bukowina (Buchenland).

Viktor Pordzik
Neukirchstraße 46
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