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Region
Wolhynien ist ein historisches Gebiet, das sich im Nordwesten der heutigen Ukraine befand. Es grenzte im Norden an Weißrussland, im Süden an Galizien und reichte im Westen vom Bug bis zum Dnepr im Osten. Bekannte Städte sind Schitomir (heute Schytomyr), Kowel, Nowograd-Wolhynsk (Nowohrad-Wolynskyj), Rowno (Rivne), Luzk und Wladimir-Wolhynsk (Wolodymyr-Wolynskyj).
Die Bevölkerung Wolhyniens bestand zum überwiegenden Teil aus Ukrainern und Polen. Neben Weißrussen, Russen, Tschechen u. a. Nationalitäten lebten hier auch Deutsche mit einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von ca 5%.
Die Siedlungsgeschichte der Deutschen in Wolhynien unterscheidet sich deutlich von den übrigen russlanddeutschen Regionen. In Wolhynien haben bereits ab dem 13. Jahrhundert größtenteils Händler und Handwerker in den Städten Wladimir und Luzk gesiedelt. Mit der Ausbreitung des Protestantismus im 16. Jahrhundert kamen auch vermehrt Beamte und Lehrer, so entstanden um 1600 viele protestantische Schulen in Wolhynien, an denen Deutsche beteiligt waren. Eine erste ev.-luth. Kirche bestand 1783 in Koretz, erbaut von Fürst Czartoryski für die Beamten, Handwerker und die Kolonisten auf seinem Land. Im Jahr 1801 wurde in der Stadt Shitomir das erste ev.-luth. Kirchspiel in Wolhynien begründet. Pastor Georg Michael Burchardt von Rühl (*1774) wurde zum Gouvernementsprediger ernannt.
Die Einwanderung der eigentlichen Wolhyniendeutschen, der Kolonistenfamilien erfolgte in drei Etappen. Mennonitische Bauern überwiegend aus Preussen siedelten um 1800 in Wolhynien. Einige Mennonitengruppen zogen später weiter in andere Siedlungsgebiete Russlands und als 1874 der Zar die allgemeine Wehrpflicht für alle seine Untertanen einführte, wanderte ein Teil der Mennoniten nach Übersee aus. Im gleichen Zeitraum kamen die sogenannten „Schlesischen Stabschläger“, eine Gruppe von Waldarbeitern überwiegend aus Niederschlesien und Polen, und einzelne Kolonisten größtenteils aus Pommern nach Wolhynien. Sie gründeten 1815 die ersten Kolonien Anette und Josefine bei Nowograd-Wolynsk. Später entstanden einige Dörfer in der Gegend um Tuczyn und Rozyszcze.
Nach dem Novemberaufstand in Polen von 1830/1831 begann eine größere und länger andauernde Einwanderung von deutschen Siedlern nach Wolhynien. Laut offiziellen russischen Angaben sind in der Zeit zwischen 1830 und 1860 11.424 Deutsche als Handwerker und Bauern nach Wolhynien eingewandert und haben 140 Siedlungen gegründet. Bedingt durch die Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland im Jahr 1861 und dem polnischen Aufstand zum Jahreswechsel 1863/1864 (auch Januaraufstand genannt) erfolgte die Haupteinwanderung deutscher Kolonisten aus überwiegend polnischen Gebieten nach Wolhynien. Die Landbesitzer konnten ihre Arbeitskräfte nicht mehr bezahlen und verpachteten ihre Grundstücke an die eingewanderten Siedler. Einzelne Kolonisten hatten die Mittel, Land zu erwerben und es entstanden wenige Eigentümerkolonien. Im Jahr 1914 lebten etwa 250.000 Deutsche im Gouvernement Wolhynien. Für einzelne Siedlerfamilien gab es auch religiöse Gründe für die Weiterwanderung. Beispielsweise Baptistengemeinden waren in den 1850er Jahren in Polen verstärkt Repressalien ausgesetzt und manche Gemeinde zog fast vollständig nach Wolhynien.
Nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges erließ die russische Militärverwaltung im Jahr 1915 die Gesetze zur Liquidierung deutschen Eigentums. Die Namenslisten in der „Wolinskija Gubernskija Wdomosti“ umfassten deutsche Kolonisten im gesamten Gouvernement Wolhynien. In den Orten, wo Deutsche in der Verwaltung tätig waren, erfuhren sie von der bevorstehenden Enteignung und brachten ihre Familien in den Sumpfgebieten in Sicherheit. Mit dem Rückzug der deutschen Truppen kamen sie nach Ostpreußen. Der andere größere Teil der Wolhyniendeutschen wurde in das Innere Russlands bis nach Sibirien deportiert.
Der Polnisch-Sowjetische Krieg von 1919 bis 1921 endete mit dem Friedensvertrag von Riga. Im Ergebnis kam der Westen Wolhyniens zur II. Polnischen Republik und bildete die Woiwodschaft Wolhynien (auch Polnisch-Wolhynien genannt) und der Ostteil wurde Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik, ab 1922 innerhalb der UdSSR (auch Ukrainisch-Wolhynien genannt). Die aus der Verbannung zurückkehrenden Kolonisten standen vor einer neuen Grenze und mußten sich ausweisen. Die Beschaffung verlorener Papiere gestaltete sich schwierig und langwierig.
Da die deutschen Siedler länger als ein Jahr ihr Land nicht bestellen konnten, wurde dieses in Polnisch-Wolhynien an polnische Familien vergeben. Häufig gelang es nur mit Rechtsmitteln, die alten Höfe wieder zu übernehmen. Die ev.-luth. Kirchspiele wurden dem ev.-augsb. Konsistorium in Warschau unterstellt und vormalige Adjunkturen erlangten ihre Selbständigkeit. In den Jahren 1935/36 existierten in 6 Kirchspielen insgesamt 140 Kantorate. In der Woiwodschaft Wolhynien gab es bis 1939 keine Standesämter. Die Kirchenbücher waren die einzigsten Personenstandsunterlagen. Dokumente wurden ausschließlich von den amtierenden Pastoren ausgestellt.
Zweiter Weltkrieg. Laut den Vereinbarungen des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftvertrages besetzte die Sowjetunion am 17.9.1939 Ostpolen bis an den Bug. 1939/40 folgte die Umsiedlung der Wolhyniendeutschen aus Polnisch-Wolhynien in den Warthegau und in das übrige deutsche Reichsgebiet.
In Ukrainisch-Wolhynien teilten die deutschen Siedler das gleiche Schicksal wie in den übrigen russlanddeutschen Siedlungsgebieten. Am 18. Dezember 1917 verabschiedete der Sowjet der Volkskommissare das Dekret Nr. 11 zur Einführung der Standesämter. Geburten und Sterbefälle wurden in den Dorf- und Siedlungsräten und Heiraten in den Rayonverwaltungen geführt.
Am 28.8.1924 faßte der Rat der Volkskommissare der Ukraine den Beschluß „Über die Aussonderung nationaler Rayons und Dorfräte“. In Wolhynien wurden der polnische Rayon Marchlevskij und der deutsche Rayon Pulin gebildet. Die Einbeziehung der Kolonisten verschiedener Nationalitäten in die Gestaltung der sowjetischen Gesellschaft mißlang. 1935 wurde die Auflösung der beiden nationalen territorialen Verwaltungseinheiten beschlossen. Diese Auflösung wurde von massivem Terror gegen die Einwohner begleitet. Bewohner ganzer Dörfer wurden verhaftet und monatelang im Gefängnis verhört. Die ersten Urteile lauteten „Arbeitslager in Karelien“. In den folgenden Jahren hieß es „Arbeitslager in Sibirien“ oder nach dem Urteil der Troika „Erschiessung wegen Hochverrat“.
Ein kirchliches Leben war unter diesen Bedingungen kaum noch möglich. Die Pastoren standen unter ständiger Beobachtung. In den 1920er Jahren wurden sie noch geduldet, weil sie Einfluss auf die Kolonisten ausüben sollten und bedingt durch die Kontakte ins Ausland Devisen ins Land brachten. Ab 1930 gehörten sie zu den ersten Verhafteten und Verbannten.
Die erzwungene Kollektivierung der Landwirtschaft hatte eine künstliche Hungersnot in den Jahren 1932/1933 zur Folge, bei der mehrere Millionen Einwohner in der Ukraine verhungerten. In der heutigen Geschichtsbetrachtung unter dem Begriff „Holodomor“ bekannt. Mitte der 1930er Jahre fürchtete die Sowjetunion eine erneute militärische Auseinandersetzung mit Deutschland und ordnete eine Zwangsumsiedlung der deutschen Siedler aus den Grenzregionen in das Landesinnere an.
Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß die einmarschierenden deutschen Truppen beim Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 als Befreier angesehen wurden. Schulen wurden wieder geöffnet und Gottesdienste konnten gehalten werden. Die besseren Zeiten waren in einzelnen Regionen jedoch von sehr kurzer Dauer. Einheimische Partisaneneinheiten überfielen manche Dörfer und brachten alle Einwohner um, die nicht den orthodoxen Glauben hatten. Partisanen und Zivilbevölkerung wurden wiederum Opfer der deutschen Mordkommandos. Zum Schutz vor weiteren Partisanenangriffen wurden Wolhyniendeutsche aus den Gebieten Basar, Malyn, Owrutsch und Emiltschin nach Hegewald südlich von Shitomir umgesiedelt. Im November 1943 flohen ca. 350.00 Deutsche aus der Ukraine mit der zurückweichenden Deutschen Wehrmacht und unter ihnen die letzten verbliebenen Deutschen aus Ukrainisch-Wolhynien.
Quellen:
Arndt, Nikolaus: Die Deutschen in Wolhynien. Ein kulturhistorischer Überblick. Kraft Verlag, 1994
Donat, Rudolf: Das wachsende Werk. Oncken Verlag, 1960
Eisfeld, Alfred; Herdt, Victor; Meissner, Boris: Deutsche in Russland und in der Sowjetunion 1914-1941, Berlin 2007
Fleischhauer, Ingeborg: Die Deutschen im Zarenreich. DVA, 1986
König, Gerhard: Standesämter und Personenstandsregister, Webseite wolhynien.de
König, Irene: Kurze Geschichte der Wolhyniendeutschen, Webseite wolhynien.de
Obee, Dave: German colonies in Russian Wolhynien and surrounding areas. 1997
Deutsche Wikipedia: verschiedene Artikel verlinkt im Text, gelesen 2018
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