Portrait Joseph Kačer
Quelle: Dr. Zdeňka Kvasničková
Joseph Kačer, Pfarrer der böhmischen Brüdergemeinde Groß Fiedrichstabor wurde am 30. März 1802 in Cernilow bei Königgrätz (tschechisch: Hradec Kralove) in Böhmen, geboren. Sein Vater Karl Kačer war Häusler und Tischler in Cernilow, seine Mutter Maria, geborene Kotlant, stammte aus Vyrava. Joseph Kačer besuchte das Gymnasium in Königgrätz. In Ungarn studierte er Theologie an den Hochschulen Papa, Debreczin und Saros Patok (etwa 1823 bis 1827). In dieser Zeit war er auch als Hauslehrer bei dem Baron Vay in Lök tätig. Wieder in Böhmen war er einige Zeit Aushilfe des Superintendenten Matej Kubes in Ksely bei Kostelec. Danach wurde er Administrator in Vysoka bei Melnik.
Seine Ordinationspredigt hielt er in der Kirche zu Libis bei Klomin am 29. Juni 1829. Der oben genannte Superintendent Matej Kubes prüfte und ordinierte ihn 1829 für das Predigtamt. Im Jahre 1830 wurde Joseph Kačer, von Vysoka aus, als Pastor nach Friedrichstabor berufen, wo er bis zu seinem Tode im Jahre 1871 wirkte.
Im Jahre 1831 heiratete er Sophie, Tochter des Pastors Peter Sikora aus Husinec bei Strehlen. Getraut wurde er in der reformierten Hofkirche zu Breslau. Am 25. Januar 1863, genau acht Jahre vor ihm, starb seine Frau Sophie mit der er die Kinder Karl (geb. 1832), Philipp (geb. 1833), Maria (geb. 1837), Paul (geb. 1839), Adalbert (geb. 1841) und Procopius (geb. 1844) hatte.
Im Jahre 1870 wurde sein böhmisches, episches Gedicht „Kalich, Mec a Kriz‟ gedruckt, welches das Entstehen der Reformation in Böhmen, ihre Kämpfe und ihre Unterdrückung darstellt. Außerdem erarbeitete er ein verbessertes böhmisches Gesangbuch mit eingefügten Melodien. Für die Gemeinde von Friedrichstabor arbeitete er einen besonderen Katechismus aus, der bereits in 2. Auflage erschienen ist. Die Epen „Zizka‟ von Alfred Meissner und „Die bezauberte Rose‟ von Ernst C. F. Schulze übersetzte er ins Tschechische.
Joseph Kačer starb am 25. Januar 1871 in (Alt) Friedrich-Tabor, beigesetzt wurde er neben der Kirche. Sein Grabstein mit der Inschrift „Pastor Katscher, 25.1.1871‟ war 1974 noch in der Baldowitzer Heide, in der Nähe des Gedenksteins „STARY TABOR 1775-1885‟ vorhanden
Sein jüngster Sohn Procopius wurde sein Nachfolger als Pfarrer der Gemeinde.
Quellen:
Kiec, Olgierd: Die evangelischen Kirchen in der Wojewodschaft Posen (Pozńan) 1918 – 1939, Harrassowitz Wiesbaden 1998;
Kvasničková, Dr. Zdeňka: Repatriace českých pobělohorských exulantů z Polska na Bezdručicko po druhé světové válce (Repatriierung der böhmischen Weißer-Berg-Exulanten aus Polen in die Region Bezdružice nach dem 2. WK), Dissertation Karlsuniversität Praha 2015;
Štĕříková, Edita: Země otců (Land der Väter), 2. Aufl., KALICH Praha 2005, Seite 34-48;
Aufzeichnungen von Adolf Schiller;
Aufzeichnungen der Familie Katscher (im Besitz der Familie Katscher).
Episoden aus dem Leben Joseph Kačers |
Die böhmische Exulantenkolonie im Baldowitzer Wald lebte weltvergessen und bescheiden ihr kleines Leben. Nach dem Tod des langjährigen Pfarrers Richter blieb die Taborer Pfarrgemeinde neun Jahr unbesetzt. Die Taborer Kirche war in so schlechtem Zustand, dass sie geschlossen werden musste. Erst nach Ausbesserungen im Jahre 1806 konnte sie wieder benutzt werden. Tschechisch sprechende Pfarrer gab es nicht genügend. Die schlecht bezahlte Taborer Pfarrstelle war kein sehr attraktiver Platz. Mit einem Gehalt von 250 Talern jährlich konnte man Anfang des 19. Jahrhunderts nicht viel ausrichten. Erst nach der Erhöhung des Gehaltes auf 300 Taler jährlich überzeugte man den Pfarrer Thomas Kovatsch in Vtelne dazu, die Stelle in Tabor anzunehmen. Er wurde am 18. Oktober 1810 eingestellt.
Es gab kaum noch Verbindungen der Taborer mit dem fernen Vaterland. Nach dem Tod der beiden ersten Prediger der Taborer Gemeinde, welche die polnische Brüdergemeinschaft den Tschechen schickte, bemühte sich der Breslauer reformierte Inspektor um einen Nachfolger. Nach Tomas Kovatsch und Jan Neschpor wurde am 5. Dezember 1829 der 28jährige Joseph Kačer nach Tabor berufen. Der neue Taborer Pfarrer Kačer, obwohl er an so entlegenem Orte wirkte, weckte bestimmte Interessen in der tschechischen Öffentlichkeit. Einmal wegen seiner Beziehung zu Jan Kollar und Josef Purkyn, zum anderen wegen seiner literarischen Schöpfungen. Joseph Kačer hielt sich selber für einen Vertriebenen aus der böhmischen Heimat, wo er wegen Streitigkeiten mit katholischen Priestern fliehen musste. Im schlesischen Tabor litt Kačer tschechische Begeisterung unter dem Druck preußischer Behörden auf seine Exulantengemeinde. Die Taborer hatten von der Erneuerung (sprachlich und freiheitlich) in der Heimat ihrer Väter keine Ahnung mehr. Sie beharrten zwar auf ihrer Muttersprache, aber sonst fand Kačer tschechische Kulturarbeit bei ihnen keinen Anklang. Kačers Sehnsucht blieb dennoch eine christlich-slawische Einheit. Die Taborer unterschieden eher zwischen evangelisch und katholisch, als zwischen Slawen und Germanen. Und Kačer selbst konnte nicht vertrauensvoll mit polnischen Katholiken sprechen, abgesehen davon, dass diese daran kein Interesse zeigten. Die preußische Regierung nötigte die tschechischen Pfarrer, dass sie sich aktiv an der Arbeit in der evangelischen Unions-Gemeinde beteiligen sollten. Auch hier sträubte sich Kačer, und die Taborer bestanden gleichfalls auf ihrer, ein Dreivierteljahrhundert alten reformierten Tradition. Pfarrer Kačer erinnerte sich der verlassenen Heimat und seufzte: „Wenn unsere lieben vaterländischen Patrioten einmal in sich gingen und erkennen würden, was das Vaterland für Fehler machte, als es seine Söhne ohne Ursache verstieß und sie aus Blindheit verfolgte.‟
Die Taborer Schule konnte in den 30er Jahren des 19 Jahrhunderts nicht mehr alle Schulkinder fassen. Es wurde über den Bau einer Schule für die Kinder von Klein Tabor und Tschermin, verhandelt. Die Kolonisten in Klein Tabor blieben untätig, und so erbauten im Jahr 1834 die Tscherminer auf einer 175 m² Gartenfläche des Nachbarn Provaznik selbst eine eigene Schule. In Zeiten harter Germanisierungsversuche sollten die Tscherminer einen deutschen Lehrer bekommen. Der Name des ersten Tscherminer Lehrers (Koutecky) aber deutet daraufhin, dass es sich wohl um einen Lehrer tschechischer Herkunft handelte. Dieser blieb nur kurz in Tschermin. Nach ihm kam Vaclav Kačer aus Hussinetz.
Die Behörden waren mit dieser Lösung jedoch nicht zufrieden, aber Pfarrer Kačer hatte Freude an seinem Mitarbeiter mit dem gleichen Namen. „Ich habe die Hoffnung, den Schullehrer Kačer in Tschermin zu behalten. Wir könnten wenigstens das Tschechisch Lesen heimlich, neben Deutsch, weiter üben, wenn wir auch anderes in Tschechisch vernachlässigen müssten – ausgenommen Glaubenslehre.‟ Der Lehrer Kačer blieb 13 Jahre in Tschermin. Bis auf Kačers Nachfolger, Rudolf Schubert, welcher hier 2 Jahre unterrichtete, kam eine Reihe weiterer Lehrer aus Hussinetz. Dem Unterricht der Jugend widmete sich Pfarrer Kačer mit besonderem Fleiß. Er erarbeitete auch einen eigenen Katechismus, welcher im Jahr 1847 sogar gedruckt erschien: Es war ein christlicher Katechismus vom Sinn des reinen Wortes Gottes für die Jugend, zunächst mündlich vorgetragen, nun gedruckt und auf eigene Kosten herausgegeben.
Mit den Taborer Bedingungen konnte sich Kačer lange nicht zufrieden geben. Als im Jahre 1837 sein Schwager, Pfarrer Peter Sikora in Friedrichgrätz (Hradec Kralove) starb, überlegte er, diesen Platz zu übernehmen. Die preußischen Behörden aber wünschten das nicht, und so resignierte er… „Sei es wie es sei -, es geschehe der Wille Gottes. Auch in Tabor hat das Brot zwei Krumen, wenn auch bescheiden.‟ Er wiederholte so die Resignation, die er schon 3 Jahre vorher ausgesprochen hatte: „Wenn es möglich wäre, gern würde ich mit meinem vorherigem Stand in Böhmen tauschen, aber wie ich es sehe, werde ich von hier nicht befreit.‟ Kačers großer Wunsch blieb noch: „Wenn es möglich wäre, wenigstens die Kinder in Böhmen unterzubringen.‟ Aber auch diese Hoffnung gab er nach Jahren auf: „Meinen Kindern ist nicht zu raten zurück zu kehren ins Vaterland, wo sie, wenn auch besseren Glaubens, in Gefahr sind, und ohne Umkehr im Glauben kein Vorteil blüht.‟
Einer von Kačers Söhnen, Adalbert, kehrte doch nach Böhmen zurück und starb 1925 in Prag. Gleichfalls starb auch Tochter Marie in Prag. Der jüngste Sohn Procop wurde 1871 Nachfolger seines Vaters in Groß Tabor.
Fürst Kalixt Peter Biron ließ in den 1850er Jahren das alte Wartenberger Schloss erneuern und erweitern und siedelte sich dort an. Das Verhältnis zwischen dem Fürsten und der Taborer Pfarrei war gut. Pfarrer Joseph Kačer lobte die Fürstin Biron; die Fürstin interessierte sich für das Leben an der Pfarrei. Der Fürst bot ihnen die Umsiedlung des Ortes an eine räumlich größere Stelle an, wo sie auch mehr Ackerland hätten. Es dauerte fast 20 Jahre, bis sich die Taborer zur Umsiedlung ihres Ortes bewegen ließen. Am 10. Juni 1870 unterzeichnete die königliche Kommission die Übereinkunft der Taborer Tschechen mit dem Fürsten Biron. Die Ausmaße an der neuen Stelle sollten nicht größer sein, jedoch der Boden von besserer Qualität. Die Grundstücke sollten uneingeschränktes Eigentum der Landwirte werden. Die Taborer verpflichteten sich dafür, auf die Nutzung des Waldes zu verzichten und mit ihren Häusern auf eigene Kosten umzuziehen. Für das Umsiedeln der Schule und Pfarrei wollte zur Hälfte die Wartenberger Behörde aufkommen, welche sich auch an dem Aufbau einer neuen Kirche beteiligen sollte.
Pfarrer Joseph Kačer hat den Umzug nicht erlebt. Er diente der Taborer Gemeinde 41 Jahre. Bald nach seiner Ankunft in Tabor heiratete er in Breslau die Tochter des schon verstorbenen Pfarrers Schikora aus Hussinetz. An der Taborer Pfarrei zog er seine 7 Kinder auf. Im Jahre 1863 begrub er in Tabor seine Frau im Alter von 69 Jahren. Am 25. Januar 1871 starb er, und wurde auf dem noch genutzten Friedhof in Alt Tabor neben der Kirche begraben. Sein Grab war noch nach 100 Jahren auf vom Wald bewachsener Stelle zu finden.
Im Laufe des Jahres 1876 entstand Groß Friedrichs-Tabor an neuer Stelle. Die Kolonisten rissen ihre bisherigen Häuser ab und transportierten gesunde Balken auf die neu zugeteilten Grundstücke, um sie hier zum Bau neuer Wohnungen zu benutzen. Das Pfarramt und die Schule waren an dem neuen Platz in den Jahren 1879 – 1880 schon aus Ziegeln erbaut worden. Im Jahre 1883 legten die Taborer den Grundstein für die neue Kirche, die auch aus Ziegeln entstand. Zwei Jahre später kam Superintendent Erdmann, um mit den Taborern die Eröffnung zu feiern. Erdmann predigte auf den Bibeltext aus Matthäus 17,4 – welche sich die Taborer bei der Gründung ihrer Kolonie auf ihr Siegel haben schreiben lassen: „Hier ist uns gut zu sein!‟ Das alte Kirchlein, welches in Alt Tabor bisher diente, musste nach dem Vertrag abgerissen werden. Es wurde für 924 Mark an Jelinek in Tschermin verkauft. Dieser nutzte noch gutes Holz zum Bau eines Mietshauses auf seinem Grundstück.
Im Jahre 1886 errichteten sich die Tscherminer „am Berg‟ ihren eigenen Friedhof, weil auf dem gemeinsamen tschechischen (an der alten Taborer Kirche) nicht mehr bestattet werden durfte. Und nach Neu Groß Tabor war es zu weit. Tschermin gehörte auch weiterhin zur Taborer Gemeinde.
Text: Wolf-Rainer Krüger, Meißen, im April 2018
Quellen:
Kiec, Olgierd: Die evangelischen Kirchen in der Wojewodschaft Posen (Pozńan) 1918 – 1939, Harrassowitz Wiesbaden 1998;
Štĕříková, Edita: Země otců (Land der Väter), 2. Aufl., KALICH Praha 2005, Seite 34-48;
Aufzeichnungen von Adolf Schiller (im Besitz der Familie Katscher);
Aufzeichnungen der Familie Katscher;
Persönliche Gespräche mit Familienmitgliedern Katscher.
Die Parochie Groß Friedrichs-Tabor
Personen der Brüdergemeinde Groß Friedrichs-Tabor