Das Karolinische Kataster

Das Karolinische Kataster wurde auf Anordnung des Kaisers Karl VI. (1685–1740) in den Jahren 1722 bis 1726 angelegt. Mit diesem sollte das alte Steuerkataster aus dem Jahre 1527 ersetzt und zugleich das Steuersystem in Schlesien modernisiert werden. Es gab schon seit 1705 Versuche die Grundsteuer durch eine Akzise, eine indirekte Verbrauchssteuer, zu ersetzen. Nachdem diese Versuche 1721 endgültig scheiterten, wurde im gleichen Jahr mit einer Neuaufnahme der Vermögensverhältnisse der schlesischen Bevölkerung begonnen.
Dafür legten in den einzelnen Fürstentümern Rektifikationskommissionen neue Steuerverzeichnisse an. Zunächst mussten Selbstauskünfte durch die Gemeinden abgegeben werden, die dann in einer Revision überprüft und die Angaben ggf. geändert wurden. Das Ergebnis waren mehrere hundert Bände detaillierter Aufzeichnungen über das besteuerbare Vermögen in Schlesien. Die einzelnen Bände des Karolinischen Katasters enthalten u. a. für den Rustikalbesitz der Bauern Angaben über die Höfe, den Acker- und Viehbesitz, die örtliche Mühlen, Wälder und Teiche. Für die Städte wurden Angaben zu den Hausbesitzern, ihren Gärten, landwirtschaftlichen Besitzungen und ihr bürgerliches Gewerbe verzeichnet

Die Bände des Karolinischen Steuerkatasters haben sich bis nach dem Zweiten Weltkrieg, der den Übergang Schlesiens an Polen zur Folge hatte, erhalten. Sie liegen hauptsächlich im Staatsarchiv Breslau (Archiwum Państwowe w Wrocławiu) unter der Bezeichnung „82/164/0 Kataster Karoliński“. Bedauerlicherweise handelt es sich um eine lückenhafte Überlieferung. Insbesondere scheinen jene Bände, die den Großgrundbesitz betreffen, verschollen zu sein. Für das Fürstentum Oppeln-Ratibor existieren z.B. 43 Bände. Beachtet man die ursprüngliche Nummerierung, fehlen aber weitere 43 Bände.

Der Bestand besteht aus insgesamt 194 Akteneinheiten (AE) und gliedert sich in:

  • Fürstentum Breslau 1723–1725, 11 Akteneinheiten (AE).
  • Fürstentum Brieg 1723–1725, 26 AE.
  • Fürstentum Glogau 1723–1725, 24 AE.
  • Fürstentum Liegnitz 1723–1725, 10 AE.
  • Fürstentum Leobschütz 1723–1725, 10 AE.
  • Freie Standesherrschaft Militsch 1723–1725, 10 AE.
  • Fürstentum Münsterberg 1722–1725, 8 AE.
  • Fürstentum Neisse 1723–1725, 8 AE.
  • Fürstentum Oels 1722–1725, 26 AE.
  • Fürstentum Oppeln-Ratibor 1722–1726, 43 AE.
  • Fürstentum Schweidnitz-Jauer 1722–1726, 10 AE.
  • Freie Standesherrschaft Trachenberg 1723–1724, 2 AE.
  • Ujest 1726, 1 AE (vormals bischöflicher Besitz „Ujester Halt“)
  • Freie Standesherrschaft Carolath (= Beuthen an der Oder) 1723–1725, 2 AE.
  • Freie Standesherrschaft Pless 1723–1727, 7 AE.
  • Fürstentum Neisse 1724–1725, 1 AE.
  • Freie Standesherrschaft Beuthen (= Beuthen O.S.) 1723–1725, 1 AE.

Für den südlichen Teil des späteren Kreises Leobschütz, sowie die Fürstentümer Teschen und Troppau-Jägerndorf und andere nach den Schlesischen Kriegen 1763 bei Österreich verbliebene Herrschaften, die nun als Österreichisch-Schlesien bezeichnet wurden, befinden sich die Bände im Staatsarchiv Troppau. Bei den Bänden im Staatsarchiv Breslau zu den zum Kreis Leobschütz gehörigen Orten handelt es sich um Duplikate, während deren Originale sich im Staatsarchiv Troppau befinden.

Die Spezifikationen der Gemeinden sind in acht Kapitel eingeteilt:

  • „Rubrica Prima: Gaerthe – Allhier müssen alle Obst=Tätze und Hopfen=Gärte, wie nicht minder die Weinberge, und mit fruchtbaren Bäumern besetzte Werder, welche denen Scholtzen, Bauern und andern Besitzern und Unterthanen im Dorffe zugehören, spezificiret, die Nahmen der besitzer benennet, und nach der Aussaat über Winter angeschlagen werden.“
  • „Rubrica Secunda: Mühl-Nutzung – Hier seynd die Mühlen mit ihren Namen und an was vor einem Wasser sie liegen, auch wie viel Gänge sie haben, oder ob des Wind=Mühlen seynd, wie nicht minder deren Besitzer zu benennen und spezifice anzuzeigen.“
  • „Rubrica Tertia: Bier- und Brandtwein Urbar – Allhier muß gesetztet werden ob eigener Zuwachs an Weitzen und Holtz vorhanden. Ingleichen seynd die Kretschammer oder der Orth / wo solches außgeschencket wird / wie nicht minder der besitzer zu benennen.“
  • „Rubrica Quarta: Teich-Nutzung – Allhier müssen sowohl die Streich- als andere Teiche mit ihrem a Situ loci oder sonsten habenden nahmen, wie nicht minder der besitzer benennet und specificieret werden.“
  • „Rubrica Quinta: Steigende und fallende Nutzungen – Allhier muß die Ertragnüß von vermietheten Wiesenwachs, und Vieh-Huttung, dann die Eisen=Stein=Kohlen und Gallmay=Nutzung, wie nicht minder von vermietheten Bret=Mühlen specifice angezeiget, und der Possessor benennet werden.“
  • „Rubrica Sexta: Holtz-Nutzung – Allhier muß der a Situ loci oder sonsten angenommene Nahmen des Waldes, und dessen Besitzer beygesetzet werden.“
  • „Rubrica Septima: Schaafe, Kühe-, Ziegen- und Schwein-Nutzung – Allhier muß gesetzet werden / wie viel der Scholtz oder die Bauren und übrigen Gemeine Schaafe / Kühe / Ziegen / und Zucht-Schweine halten.“
  • „Rubrica Octava: Säe-Werck – Allhier müssen in Columna I. alle Felder, sie seyn besäet oder nicht, mit dem á Situ loci oder sonsten herhabenden Nahmen, und was darauf gesäet werden kann, nebst deren Besitzern specificiret, in II. wie viel regulariter über Winter, und in III. wie viel regulariter über Sommer gesäet wird, angezeiget werden.“

Mit dieser Spezifikation beginnen die Aufzeichnungen zu jeder Gemeinde. Sie wurde als Vorlage gedruckt und vom Schulzen und zwei Schöffen, die auch Gerichtsmänner oder Älteste bezeichnet wurden, unterschrieben und mit dem Siegel des Dorfes versehen. Dazu kommen noch eine Bekenntnistabelle, die die Ergebnisse der Erfassung zusammenfasst und häufig Anhänge wie Abschriften von Urkunden, Erklärungen einzelner Besitzer.
Die Unterlagen wurden gesammelt und abgegeben. Da abgesichert werden sollte, dass die freiwilligen Angaben der Steuerpflichtigen mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen, wurden Rektifikationskommissionen, also Berichtigungskommissionen gebildet, die diese Angaben überprüften. Die Kommissionen bestanden aus einem oder zwei einheimischen Adligen und einem Verwaltungsbeamten. Die adeligen Kommissionsmitglieder waren wahrscheinlich Mitglieder des Landesausschusses. Dieser wurde von den Ständen gewählt und seit 1576 vom Landeshauptmann und kaiserlichen Beamten geleitet und ersetzte den Landtag. Durch die ständische Zusammensetzung der Kommissionen gab es Möglichkeiten der Manipulation. Die Kommission erstellte zum Abschluss eine „Unterthanen Befunds-Tabelle“, die das endgültig zu besteuernde Kapital der Gemeinde zusammenfasst, das nach der Revision durch die Rektifikationskommission ermittelt wurde.
Das Kataster bietet damit eine ausführliche Darstellung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den Gemeinden im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts, wenige Jahre vor der Inbesitznahme Schlesiens durch Preußen. Es werden nämlich die Namen der Stellenbesitzer und ihre soziale Zugehörigkeit mitgeteilt. Neben den Schulzen werden Bauern und Gärtner, mitunter auch Frei- und Robotgärtner erwähnt, Häusler, also Besitzer sehr kleiner Stellen, und Einlieger fehlen. Vorhandene Mühlen und Kretschame werden im zweiten und dritten Kapitel ausführlich beschrieben.

Erfasst wurden nur Realitäten, unbeachtet blieben Erträge, Einkünfte und Nutznießung. So waren letztendlich die Ergebnisse der Erhebung enttäuschend für den Staat, da die Leistungskraft des grundbesitzes sich als wesentlich geringer herausstellt als angenommen. Dazu kamen die enormen Kosten der Steuererhebung. Aus diesem Grund gab es ab Ende der 1720er Jahre Überlegungen zu einer kombinierten Grund- und Einkommenssteuer, die allerdings bis zum Ende der habsburger Zeit nicht umgesetzt wurden.

Zum Kataster erschien in den Jahren 1973 und 1973 eine Ausarbeitung in Prag in tschechischer Sprache mit einer kurzen deutschen Zusammenfassung4. Diese hat den Nachteil, dass auch die deutschen Namen übersetzt wurden. Die Bände 29 und 30 (Oberglogau in Oberschlesien) des Fürstentums Oppeln-Ratibor wurden durch die Historische Kommission für den Kreis Neustadt/OS e. V. transkribiert und veröffentlicht. Für die Stadt Groß Strehlitz erfasste Stefan Guzy 2017 die Hausbesitzer.

Ein Index aller im Kataster genannten Personen wird schrittweise erstellt und hier zugänglich gemacht.

Berlin, den 1. September 2023.
Andreas Rösler


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Quellen:

  • Generaldirektion der Staatlichen Archive Polens (Hrsg.). Staatsarchiv Breslau. Wegweiser durch die Bestände bis zum Jahr 1945. Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte. Band 9. München, Oldenbourg 1996, S. 134
  • Historische Kommission für den Kreis Neustadt/OS e.V. (Hrsg.) Der Altkreis Oberglogau im Karolinischen Steuerkataster von 1722/26. Landeskundliche Schriftenreihe. Band 9. Görlitz, Senfkorn 2016
  • Werner Bein. Schlesien in der habsburgischen Politik. Ein Beitrag zur Entstehung des Dualismus im Alten Reich. Sigmaringen, Thorbecke 1994, S. 141
  • Jan Brzobohatý und Stanislav Drkal: Karolínský katastr slezský (deutsch: Der Karolinische Kataster Schlesiens). Bände 1 und 2, Praha 1972–1973
  • Historische Kommission für den Kreis Neustadt/OS e.V. (Hrsg.) Der Altkreis Oberglogau im Karolinischen Steuerkataster von 1722/26. Landeskundliche Schriftenreihe. Band 9. Görlitz, Senfkorn 2016
  • Stefan Guzy: Die Hausbesitzer der Stadt Groß Strehlitz (Oberschlesien) nach dem Karolinischen Kataster 1722/25 (= Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher [Hrsg.]: Archiv ostdeutscher Familienforscher (AOFF). Band 25). 2017, S. 181–209

 

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