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Ein Paradies war es nicht, in das die deutschen Kolonisten einwanderten. „Man kann nicht sagen, dass die Buggegenden eine besondere Fröhlichkeit atmen, dass sie weite fruchtbare Ebenen besitzen, in denen sich das Auge verliert. Sand, Sümpfe, dunkle Tannenwälder und Flächen, dazwischen graue, ärmliche Dörfer, die sich abwechselnd dem Auge darbieten.‟ So sah es fast überall aus, als die Hauptwelle der deutschen Kolonisten kam, auf dem trostlosen Sandboden schmucke Kolonien entstanden und dem dunklen Walde und den „Blotten‟ Ackerboden abgerungen wurde.
Die Deutschen kamen in zwei Wellen ins Land. Die erste, zahlenmäßig geringe, zur Zeit des autonomen Königreichs Polen. Der Hauptstrom der deutschen Einwanderer kam ab 1860 nach der Aufhebung der Leibeigenschaft ins Lubliner Siedlungsgebiet. Auch die Feindseligkeiten, die die Polen mit deutschen Wurzeln im Aufstand von 1863/64 erfahren hatten, führten zu einer starken Abwanderungswelle aus ganz Mittelpolen ins „Lubliner Siedlungsgebiet‟.
Lubliner Gebiet
Die älteste deutsche Kolonie im Lubliner Lande war Franzdorf I, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts gegründet wurde. Sie fiel um 1860 ganz der „Polonisierung‟ anheim. Kantorat und Bethaus waren hier seit 1813 urkundlich belegt. Um 1800 entstand Franzdorf II, dessen Anfänge auf eine Glashütte zurückgehen. Die früheren evangelischen Glashüttenarbeiter betrieben später vorwiegend den Ackerbau. Um die gleiche Zeit wie Franzdorf II wurde Sokolniki angelegt. Weitere Gründungen waren: 1844 Juljopol, Amelin, Kol. Wölika Siemienska und Sewerynöwka; ferner nach 1844: Antonöwka. Juljopol hatte 1860 eine Schule und 1870 ein Bethaus (1882 Neubau). Als weitere Siedlungen folgten 1862 Antonin Stary mit Kantorat und Bethaus; 1863 die Baptistenkolonie Justynow, die evangelischen Dörfer Pawlow, Egersdorf, wo 1868 ein Kantorat eingerichtet wurde. Im Jahr 1864 entstanden Jözeföw, Bielany, Bronislawöw und Leonardow.
Nach 1864 wurden gegründet: Antonin Nowy, Kol. Sobolew, Baran, Czerwonka Duza, Czerwonka Mala, Wolka Mierzyslaw, Lipniak, Aleksandröwka, Kol. Wolka. In das Jahr 1866 fällt die Gründung der Kol. Zurawieniec. 1867 wurde das Dorf Zawada durch den Gutsbesitzer Grodzicki aus Dembica angelegt; 1869 Wola Mieczyslawska (Grabina), Bielany, wo nach 1870 Bethaus und Kantorat entstanden. Vor 1870 Rechta, Kol. Gizyce (Niem.), Grabow, Stasin und Wilhelmöw.
In den Jahren 1869/71 wurden auf den Zezuliner Gütern durch Baptisten aus Kicin, Kurowek, Poroze, Alexandrow, Dombie, Koroblew, Belchatow, Dombrowa und noch aus anderen Gegenden die Siedlungen Zezulin A und B, Grondy, Kociowa Gora, Lisigrunt und Godziemböw gegründet. Von 115 Wirtschaften mit insgesamt 2306 Morgen befanden sich im Jahre 1876 nur fünf in slawischem Besitz. Religiöses baptistisches Zentrum war hier Zezulin. Eine weitere baptistische Kolonie war seit 1878 Radawczyk, die nach Gewinnung zahlreicher neuer Glieder 1884 zur selbständigen Gemeinde erhoben wurde. Im Jahre 1870 gründete man: Borkowizna, Trojnia, Przymuszew A und B, Rabatki, Wola Lisowska (Bau des Bethauses 1873/74), Janopol. 1871 gesellten sich hinzu: Kol. Potok Wola, Bozydar (polonisierte Schwabenkolonie); sodann vor und einschließlich 1876: Kaniowola, Piaseczno, Ostrowek, Kol. Majdan Krasieninski, Pryszczowa Gora, Kol. Wolka Krasieninska, Kol. Ciotcza (Gem. Wielkie). In den Jahren 1877/78 folgten Sobieszczany, wo bald darauf auch das Bethaus errichtet wurde, Kol. Plonszowice und Babin. Es entstanden noch: 1883 Kol. Osowa, 1884 Kol. Slugocin, 1886 Marynin, (teilweise baptistisch), 1887 Kol. Wilczopole, 1892 Kol. Cichostow und 1898 Okalew. Es war eine stattliche Anzahl deutsch-evangelischer Siedlungen, die vornehmlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und zwar in steigendem Maße nach dem polnischen Aufstand 1863/64, angelegt wurden.
Cholmer Gebiet
Im Cholmer Gebiet war Michelsdorf das älteste deutsche Dorf, mutmaßlich 1782 von Mennoniten gegründet, die 1822 ihre Wirtschaften an Kolonisten aus der Babiaker Gegend verkauften und selbst nach Karlswalde und Antoniendorf bei Ostrog weiterzogen. Im Jahre 1803 wurde in Zalucze Stare das Bethaus errichtet und ein Kantorat gebildet, das der Neudorfer Pastor nur sehr selten bediente. Sich selbst überlassen, ohne rechte Leitung und Pflege, in römisch-katholischer Umgebung, büßten die deutschen Lutheraner von Zalucze Stare allmählich ihren Glauben und ihre Muttersprache ein.
1828 kam es zur Entstehung des Dorfes Dembowiec. Die Kolonien Wladyslawow und Wanda verdanken ihre Gründung im Jahre 1845 dem Gutsbesitzer Thomas Chmielewski. Im Jahr 1860 wurden angelegt: Nadrybie, Zorubka, Wolka Nadrybska und Kiementynow; im Jahr 1861 Tomaszowek, Aleksandrowka, Krzywowolska, Felcin und Wojciechow, im Jahr 1862 Janowice und im Jahr 1863 Bielin, Syczow und Radziejöw.
Die Kolonie Bielin wurde auf den Ländereien des Gutsbesitzers Fudakowski aufgebaut. In der Nähe von Syczow schlossen sich die Dörfer Teresin, Annapol und Zabubnowo an. 1862 veräußerte der Gutsbesitzer Albin Horoch von Woloska Wola einen Teil seiner Ländereien an Kolonisten aus der Gegend von Bromberg, Znin, Bartschin und Labischin. Mit ihnen kamen auch polnisch-katholische Bauern aus jenen Bezirken, die sich in der Siedlung Dembina niedergelassen haben.
Die polnischen Gutsbesitzer erhoben von ihren Ländereien Pachtzins und erzielten dadurch beträchtliche Einnahmen. Manchenorts, wie in Michelsdorf und Dembina, zogen sie die deutschen Pächter noch zu Frondiensten heran. Fälle körperlicher Züchtigung waren in jenen Tagen auf den Gutshöfen nicht selten. Die schwere Lage der Kolonisten nahm insofern eine günstige Wendung, als ihr Zinsland zum Ukasland wurde und dadurch dank der Bauernreform 1864 in ihren Besitz überging.
Durch die Aufhebung der Leibeigenschaft hatten die Gutsbesitzer auch im Lubliner und Cholmer Lande mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Vor allem fehlten ihnen zur Bewirtschaftung ihrer Herrenhöfe Arbeitskräfte, die ihnen nun aus dem Siedlerstrom zuflossen. Andererseits überließen sie mehr als die Hälfte ihrer schlechten Böden und Sümpfe den Kolonisten zur Kultivierung, die sie für diese Aufgabe als recht gut geeignet und zuverlässig, nicht minder aber auch für gut genug hielten. Trotzdem blieben die deutschen Bauern auf den neuen Stellen, so wenig ertragreich z. T. auch die Böden waren. Sie hatten keine andere Wahl. Die an Arbeitskräften überschüssigen alten Heimatdörfer, der Reifevorsprung im Verhältnis zu den polnisch-katholischen Bauern, nicht zuletzt aber die Wirren des Aufstandes, die vielen die frühere Heimat verleideten, alles das drängte nach neuen Betätigungsmöglichkeiten, die außer im Lubliner Land sich auch im Cholmer Bezirk in genügendem Maße boten.
So setzte Graf Theodor Suchodolski durch teilweise Kolonisierung seiner Dorohusker Güter deutsch-evangelische Wirte an: 1864 in Puszki, 1865 in Teosin, Kroczyn (Kantorat 1876) und Skordjow, 1866 in Zalisocie. In gleicher Zeit (1865) wanderten Siedler aus Deutschland in die kleinen Dörfer Mary sin und Jamne ein. 1865 wurde die Kolonie Czerniejew gegründet. Im Jahre 1866 verkaufte der Gutsbesitzer Jasinski von Bruss einen großen Wald an Arbeiter aus der Kirchengemeinde Wengrow und aus Preußen. Der vorhin schon genannte Gutsbesitzer Albin Horoch siedelte 1868 Bauern aus den Pfarreien Wengrow und Pultusk in Marjanka an. Auf den Ländereien von Serebryszcze, deren Besitzer Josef Zawadski war, wurden 1866 Gotowka und 1870 Karolinöw gegründet.
Auf den Besitzungen des Grundherrn Baldowski entstand 1870 Janopol. Im gleichen Jahre parzellierte man auch das große Gut Nowosiolki unter lutherische Wirte aus den Parochien Gombin und Gostynin. Die Namen der Ortschaften waren: Jozefin, Nowosiolki und Henrysin, die kirchlich im Kantorat Jozefin zusammengefaßt wurden. Durch Siedler aus dem Gouvernement Petrikau und Plozk, wie auch aus Kleinpolen, wurden die Dörfer Juljanöw, Adolfin, Jankowice und Tytusin angelegt.
1871/72 siedelten sich Kolonisten aus den Kirchengemeinden Turek, Konin und Babiak in Bukowa Piaski und Mszanna an. Um 1872 wurde durch Auswanderer aus Deutschland Kulczyn erworben. Um das Jahr 1874 veräußerte Malinowski, der Grundherr von Kamien, sein Gut an deutsche Wirte aus Kongreßpolen. 1874 entstand das Kantorat Malinöwka, in das noch die Kolonien Predni Lan und Przymiarki einbezogen waren. 1873/75 ist die Entstehungszeit des Dorfes Bukower Land durch evangelische Bauern aus den Parochien Konin und Radom. 1880/81 parzellierte man unter die Kolonisten die Cycower Güter, was zur Gründung der Siedlung Cycöw — neben der slawisch-jüdischen Ortschaft gleichen Namens — und von Abramowka, Podglemboki, Biesiadki und Stawek führte. Weiter baute man aus: um 1880 Röwnianka, Chromowka und Kol. Ilowa, im Jahr 1880 Kol. Wola Korybut, Beniow, Janin, nach 1880 Kozly, 1882 Barki, 1883 Tarnowka, 1884 Bogdanka und Lesniczöwka, 1886 Krupa, 1887 Zabudnowo, zwischen 1880/90 Kamionka. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts kamen noch hinzu: 1890 Strenczyn Nowy, 1891 Tuchanie und Dratowski Las I, 1893 Dratowski Las II (Uciekajka) und Luswinin, 1896 Lipowki, 1897 Kol. Mogilnica, 1897/98 Kol. Ruda, 1898 Nadrybie Nowe und Kol. Urszulin, sowie 1899 Ujazdöw.
Quellen:
Kneifel, Eduard: Geschichte der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Niedermarschacht über Winsen an der Luhe 1962
Kneifel, Eduard: Die evangelisch-augsburgischen Gemeinden in Polen 1555-1939, Vierkirchen über München 1971
Lück, Kurt: Das Siedlungswerk im Cholmer und Lubliner Land, Plauen i. O. 1933
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